Glossar
Buzzwords der Zukunftsforschung
Zukunft als Hype-Thema trifft auf Berater*innen, die gerne mit fancy Begriffen um sich schmeißen. Meine mit etwas Substanz ausgestatteten Lieblinge stelle ich hier step by step als "Buzzwords der Zukunftsforschung" vor. Aktuell dabei:
Wahrscheinliche Zukünfte Artefakte Alternativen Zukünfte Prognose Trendz ZukunftsbildHandeln & Gestalten
Zukunft gestalten klingt erstmal super - ist nur leider leichter gesagt, als getan. Dieser Abschnitt widmet sich hilfreicher Theoretisierung, die bestenfalls Handeln in dem Sinne ermöglicht, dass nicht nur bestehendes Verhalten reproduziert wird. Diese theoretische Definition wird in der Praxis nämlich leider zu oft vergessen. Weitere Anhaltspunkte für "Handeln & Gestalten":
Modale Gestaltung Mission Zukunftsgestaltung Reale UtopienKeyvisual
Im ersten Halbjahr 2022 habe ich versucht all meine teils wirren Überlegungen rund um Zukunftsforschung zu bündeln und in wenigen visuellen Elementen zum Ausdruck zu bringen. Entstanden ist das Keyvisual inklusive der fünf Herleitungen, wie du sie vielleicht auf der Startseite gesehen hast. Darin eingebaut sind einige der für mich wichtigsten Begriffe meiner Arbeit:
Zukünftige Gegenwart Individueller Ausgangspunkt Kegel der Plausibilität Action Goals "Like official" Zukünfte Plausible Alternativen Systemische Ziele Agency Wünschbare Zukünfte Szenario-Entwicklung Systemischer Ausgangspunkt Utopische Alternativen Narrative und ForesightMacht & Herrschaft
Macht & Autorität, die nicht auf Vernunft und Vertrauen basieren, schränkt Freiheit und Gleichheit in herrschaftlicher Weise ein, wenn unangekündigte Strafe bei Missachtung von einseitig erlassenen Vorschriften möglich ist. Diese jahrhunderte alte Überlegung von William Godwin scheint mir ein gutes Intro für zwei Zitate zu sein:
Status Quo Aktionismus Kritische ZukunftsforschungWissen & Nichtwissen
Die sogenannte Wissensgesellschaft reproduziert Wissensmengen in nie dagewesenem Ausmass. Ein allgemein gültiges Wissen ist kaum mehr zu haben. Die Unterscheidung von Wissensarten gewinnt deshalb massiv an Bedeutung: Was willst du wissen? Was kannst du wissen? Weißt du, was du wissen kannst? Und wenn wir schon nur sehr wenig über das wissen, was gerade ist, wie sieht es dann mit den unendlichen zukünftigen Möglichkeiten aus? Ich nähere mich dem Thema mit ein paar Wissenskonzeptionen zu:
Ideologie und Nicht-Wissen Zukunftswissen"Like official" Zukünfte
“Like official” Zukünfte zeigen die jeweils offiziell-scheinbar feststehende Zukunft. Die „Fiktion der wahrscheinlichen Realität” die innerhalb eines Systems / einer Organisation über scheinbare feststehende zukünftige Entwicklungen verbreitet sind und in unterschiedlichen Ausprägungen analysiert werden können. Unterschieden wird dabei zwischen expliziten und impliziten, sowie positiven und negativen Zukunftsvorstellungen.
zentrale Erkenntnisse
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Subjektive Zustimmung statt objektiver Wahrscheinlichkeit: “Like official” Zukünfte beschreiben nicht, was statistisch wahrscheinlich ist, sondern den engen Korridor an Zukünften, dem Systeminsider intuitiv und impulsiv zustimmen (“liken”) würden.
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Notwendiger Ausgangspunkt für Alternativen: Die Explizierung dieses Korridors ist kein Selbstzweck, sondern die strategische Voraussetzung, um die dominanten Narrative zu verstehen und gezielt nach echten, wünschbaren Alternativen jenseits des Erwartbaren suchen zu können.
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Vielschichtige Analyse: Der Korridor ist nicht monolithisch, sondern kann durch die Analyse verschiedener Facetten – wie expliziter „Bright Futures“, impliziter „Used Futures“ oder tief verankerter „Future Imaginaries“ – in seiner Komplexität erfasst werden.
Notizen
Der Begriff “‘Like official’ Zukünfte” ersetzt das klassische Konzept der “wahrscheinlichen Zukunft” durch eine subjektive und systeminterne Perspektive. Der Plural und der Anglizismus “Like” betonen, dass es sich um einen Korridor von Zukünften handelt, denen Systeminsider impulsiv und intuitiv ihre Stimme – ihr “Like” – geben würden. Diese projiziert-offiziellen Zukünfte bilden einen schmalen Korridor geteilter Annahmen darüber, was passieren wird, und wirken wie ein starker Magnet, der das kollektive Verhalten koordiniert und das Gewohnte unhinterfragt in die Zukunft projiziert.
Die bewusste Auseinandersetzung mit diesen “‘Like official’ Zukünften” ist kein Selbstzweck, sondern eine strategische Notwendigkeit. Sie dient als unverzichtbarer Ausgangspunkt für die Suche nach echten Alternativen. Im Sinne der Futures Literacy müssen dominante Zukunftsvorstellungen erst explizit gemacht werden, um sie herausfordern zu können. Durch die Analyse dieses Korridors werden die zugrundeliegenden Machtstrukturen und impliziten Annahmen sichtbar, die ansonsten Verhältnisse determinieren. Zudem ermöglicht der Blick auf das Wünschbare innerhalb dieses Korridors zu klären, welche Aspekte der erwarteten Zukunft – wie etwa nachhaltiges Wachstum oder das Halten guter Mitarbeitender – beibehalten werden sollen, während andere verändert werden.
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J. Roland & J. Spaniol, Why Futures Studies should be part of every curriculum (2020)
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R. Miller, Transforming the Future: Anticipation in the 21st Century (2018)
Zur tieferen Analyse lassen sich “‘Like official’ Zukunftsvorstellungen” in einem Spektrum von explizit bis implizit und positiv bis negativ untersuchen. Bright Futures sind die hochglänzenden, explizit positiven Erzählungen von technologischem Fortschritt und Marktglauben. Used Futures, wie von Inayatullah beschrieben, sind die impliziten, oft unbewussten Annahmen, die früher funktioniert haben, heute aber Veränderungen blockieren (z.B. Top-Down-Hierarchien). Future Imaginaries, nach Kleske, stellen die tiefste Ebene dar: kollektive Selbstverständlichkeiten, die den Alltag koordinieren und Alternativen als undenkbar erscheinen lassen. Die Analyse dieser unterschiedlichen Facetten ist entscheidend, um die volle Anziehungskraft des Status Quo zu verstehen und gezielt Handlungshebel für dessen Veränderung zu identifizieren.